„Wie sehen die Leute den Staat?“, fragte der Bonner Polizeipräsident Hans-Wilhelm Fritsch besorgt, noch während die Bilder vom Geiseldrama über die Bildschirme flimmerten. „Die Polizei ist der Lächerlichkeit preisgegeben.“ Die Kritik am Polizeieinsatz, an den zahlreichen Pannen und Unzulänglichkeiten, am Zögern und Zaudern wurde in den Tagen nach Gladbeck immer lauter – auch innerhalb der deutschen Sicherheitsbehörden.

Bayerns Innenstaatssekretär Peter Gauweiler (CSU) ließ die bayerische Polizei nur wenige Tage später eine Übung abhalten – finaler Rettungsschuss inklusive. Seine Botschaft: In Bayern wäre das alles nicht passiert. Im Freistaat erledigt man Geiselnahmen „ruck, zuck“ und „stets am ersten Tatort“. Gauweiler musste dafür scharfe Kritik einstecken. 30 Jahre später fühlt sich der CSU-Politiker rehabilitiert.

 

Herr Gauweiler, hat sich nach dem Geiseldrama von Gladbeck etwas an der Strategie der Polizei geändert?

Heute verhält sich die Polizei bei Geiselnahmen exakt so, wie wir es damals in Bayern vorexerziert haben. Die Struktur der Polizei hat sich komplett verändert. In ganz Deutschland wurden feste Krisenstäbe mit Experten eingerichtet, die auf die Kommunikation mit Verbrechern spezialisiert sind. Heute kommen Geiselgangster nicht mehr aus einer Bank heraus. Ein Fall wie Gladbeck wäre heute ausgeschlossen. Man hat aus Gladbeck viel gelernt.

Und der finale Rettungsschuss?

Im Sinne der Nothilfe können Täter mittlerweile jederzeit erschossen werden, wenn man glaubt, damit Gefahr für Leib und Leben anderer abzuwehren. Das halte ich für sehr sinnvoll. In den vergangenen Jahren sind aber ganz andere, neue Probleme in den Mittelpunkt gerückt. Attentate haben an Intensität zugenommen. Das sind die Herausforderungen von heute.

Wo gibt es immer noch Defizite?

Ich würde zwar nie am föderalen Aufbau der Polizei rütteln wollen. Und unterschiedliche Bundesländer erfordern unterschiedliche Polizeigesetze. Aber gerade in letzter Zeit gab es Fälle, die erneut aufgezeigt haben, dass die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Bundesländern immer noch verbesserungswürdig ist. Ich erinnere nur an die rechte Terrorzelle NSU oder an den Anschlag auf den Breitscheidplatz in Berlin. Vieles hätte verhindert werden können, wenn die Sicherheitsbehörden in den Bundesländern sich besser ausgetauscht hätten. Daran müssen wir dringend arbeiten – auch 30 Jahre nach Gladbeck.

Sie haben wenige Wochen nach Gladbeck als Innenstaatssekretär in Bayern eine Übung abhalten lassen – finaler Rettungsschuss inklusive. Ihre Botschaft: In Bayern wäre das alles nicht passiert. Im Freistaat erledigt man Geiselnahmen „ruck, zuck“ und „stets am ersten Tatort“. Sie haben dafür viel Kritik einstecken müssen. Warum haben Sie die Übung damals abhalten lassen?

Weil ich die Abläufe rund um Gladbeck nicht verstanden habe und mich der tragische Ausgang fassungslos zurückgelassen hat. Wieso hatte man Rösner nicht schon vor der Tat aus dem Verkehr gezogen? Man wusste, dass er flüchtig war, und kannte sein Versteck. Wie konnte man die Gangster überhaupt aus der Bank lassen? Das waren die Kardinalfehler. Beides hätte nicht passieren dürfen.

Sie haben für die Übung reichlich Prügel bezogen.

Alle haben danach auf Bayern herumgetrampelt. Wir hielten aber genau diese Diskussion für dringend notwendig. Und deshalb haben wir das gemacht. Mittlerweile fühle ich mich rehabilitiert.