Journalisten dürfen sich nicht instrumentalisieren lassen / Redaktionen müssen verantwortungsvoll mit Videos von Straftaten umgehen

Anlässlich des 30. Jahrestags der Geiselnahme von Gladbeck erinnert der Deutsche Presserat daran, dass Journalisten sich nicht zum Instrument von Kriminellen machen dürfen. „An der Information über Straftaten besteht ein berechtigtes öffentliches Interesse. Es ist Aufgabe der Presse, darüber zu recherchieren und vom Ort des Geschehens unabhängig zu berichten“, so Volker Stennei, Sprecher des Deutschen Presserats. „Jedoch gibt es ethische Grenzen: Journalisten müssen stets ihre Beobachterrolle einhalten. Sie dürfen nicht eigenmächtig in das Geschehen eingreifen.“

Journalistische Verantwortung für Online-Videos von Straftaten
„Bei der Berichterstattung über die Geiselnahme von Gladbeck vom 16. bis 18. August 1988 boten Journalisten mit Liveberichten und -interviews den Tätern eine bis dahin beispiellose öffentliche Bühne. Das war ein Synonym für Fehlentwicklungen in den Medien und gleichzeitig eine Zäsur für das Verhalten von Journalisten“, so Stennei.

„Heute könnte jeder Bürger mit seinem Smartphone die Geiselnahme filmen und ins Netz stellen. Umso wichtiger ist es deshalb, dass journalistische Medien verantwortungsvoll mit Videos von Straftaten und Unglücken umgehen. Auch für die Verwendung von Amateurvideos in den Online-Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften gelten ohne Einschränkung die ethischen Grundsätze des Pressekodex“, betont Stennei. Dazu gehören u.a. der Verzicht auf unangemessen sensationelle Darstellungen sowie die Einhaltung des Opfer- und Jugendschutzes. In keinem Fall tritt die Presse in einen Anpassungswettbewerb mit Formen der öffentlichen Kommunikation ein, deren Ethik vergleichsweise schwach entwickelt ist.

Konsequenzen aus Gladbeck und Bremen unverändert in Kraft
Der Geiselnahme folgte in vielen Redaktionen eine intensive Debatte über das Verhalten der Presse. Der Presserat zog damals Konsequenzen aus den Ereignissen von Gladbeck und Bremen. Er erweiterte seinen Regelkatalog und vereinbarte mit der Innenministerkonferenz bis heute gültige Verhaltensgrundsätze für Medien und Polizei. Sie sollen Behinderungen bei der Durchführung polizeilicher Aufgaben vermeiden und zugleich die freie Ausübung der Berichterstattung garantieren. Die Presse verpflichtet sich seitdem, keine Interviews mit Tätern während des Verbrechens zu führen und nicht eigenmächtig zwischen Tätern und Polizei zu vermitteln.

Der Pressekodex gebietet zudem, auf die Veröffentlichung von „Verbrechermemoiren“ zu verzichten, wenn darin Straftaten nachträglich gerechtfertigt oder verharmlost und Opfer unangemessen belastet werden. Auch eine Heroisierung von Straftätern sollte die Presse vermeiden.