Immer wieder hat die Polizei am ersten Tag der Geiselnahme mit den Gangstern Rösner und Degowski in der Bank telefoniert. Die Gespräche führt aufseiten der Polizei Kriminalhauptkommissar Manfred Doerks aus einer Gruppe psychologisch geschulter Verhandlungsführer der Polizei Dortmund. Ihm ging es vor allem erst einmal darum herauszufinden, um wen es sich bei den Geiselnehmern handelt. Dann darum, sie hinzuhalten und zur Aufgabe zu überreden.

 

Die Auszüge aus den Wortlautprotokollen zum Nachlesen*:

DOERKS: Können wir uns denn nicht irgendwie mit Namen ansprechen?

TÄTER: Ja höma, ja glaubse, ich bin der Papst, oder wat?

DOERKS: Nein, nein, nicht der Papst, aber es ist doch besser, wenn ich zu dir Karl oder Josef sag und du zu mir Manfred, oder wat.

TÄTER: Ah, ich sach dir gar nichts.

DOERKS: Okay.

TÄTER: Du sagst einfach „Eh“ zu mir.

DOERKS: „Eh“ sag ich zu dir.

TÄTER: Das sag ich ja auch zu dir.

 

Gegen 11 Uhr gibt Doerks den Bankräubern eine Telephonnummer durch, unter der er ständig zu erreichen ist. Er verlangt einen der Täter als Gesprächspartner.

 

DOERKS: Wen spreche ich jetzt von den beiden der Herren?

TÄTER: Ja, wen wohl?

DOERKS: Ja, einer hat gesagt, ich soll ihn „Eh“ nennen.

TÄTER: Ja, ja genau, der ist das.

DOERKS: Egon vielleicht, Egon?

TÄTER: Genau der ist das.

DOERKS: Gut, dann sagen wir Egon.

TÄTER: Laß dir doch ’nen schöneren Namen einfalln.

DOERKS: Ernst, Erwin. Erwin ist gut.

TÄTER: Laß mal bei Egon sein.

DOERKS: Okay. Gut, sach ich Erwin. Ich wollte eigentlich mal so’n bißchen von Mensch zu Mensch mit Ihnen sprechen. Wir ham uns die Sache hier überlegt, ihr habt ja eigentlich das alles nicht gewollt, was da eingetreten ist.

TÄTER: Hör mal, bist du am Spinnen, du Pimpf?

 

Der Hörer wird aufgelegt. Doerks ruft wieder an, spricht mit der Geisel Reinhold A.

 

DOERKS: Haben die beiden noch Masken auf?

REINHOLD A.: Sicher haben die Masken auf.

DOERKS: Ja, mmh, und haben Pistolen in der Hand oder im Gurt stecken oder in der Jacke oder was?

A.: Im Rücken halten se mir se jetzt gerade.

DOERKS: Ja, dann geben Sie mir doch mal einen der Herren.

 

Das Gespräch wird beendet, erst später meldet sich wieder ein Geiselnehmer.

 

TÄTER: Ja.

DOERKS: Ja, ist Erwin, ja? Hier ist Doerks nochmal. Ich spreche hier von der Polizei, wir haben immer zusammen gesprochen oder versucht.

TÄTER: Nee, ich bin der andere.

DOERKS: Ach, der andere bist du. Also, ich übergebe jetzt. Ihr wart ja damit einverstanden, daß ihr mit dem Staatsanwalt sprecht.

TÄTER: Ah ja, richtig.

 

Den Tätern wird angeboten, daß sie mit einem Strafantrag von sechs Monaten davonkommen, wenn sie innerhalb einer Stunde die Geiseln freilassen.

 

TÄTER: Passen Se mal auf. Wie Sie so labern, ne, glauben Sie das nicht, daß wir Ernst machen, ne. Aber eins kann ich Ihnen sagen, passiert das nicht bald, daß wir die Forderung kriegen, dann lösen wir unsere Masken, und dann können Sie sich ja vorstellen, daß die Geiseln tot sind. – Weil sie uns hier erkennen. Und wir sind auch kein unbescholtenes Blatt mehr.

 

Rösner und Degowski hören im Rundfunk, daß sie noch nicht identifiziert sind. Um 14.40 Uhr kommt der Polizeiunterhändler auf das Angebot der Staatsanwaltschaft zurück.

 

DOERKS: Habt ihr euch mal die Sache durch den Kopf gehen lassen?

TÄTER: Dann müßt ich ja wahnsinnig sein.

DOERKS: Warum denn, Junge?

TÄTER: Warum? Hör mal. Lieber geh ich kaputt, bevor ich nochmal in die Kiste gehe.

DOERKS: Ach, Kerle…

TÄTER: Oder meinst du, ich glaub die Tricks von dem Staatsanwalt? Der kann mich am Arsch lecken.

 

Mit Verhandlungen über Lösegeld und Fluchtauto versucht Doerks, die Täter hinzuhalten, verwickelt sie in Gespräche über ihre Kindheit.

 

DOERKS: Mit deiner Einstellung, mit deiner Lebensgesinnung, mit deiner, entschuldige, wenn ich das so sage, paßt vielleicht nicht zu dir, aber, vielleicht lachst du darüber, mit Ethik und Moral. Hast’ davon mal was gehört?

TÄTER: Moral, wat is das denn?

DOERKS: Ja, Moral.

TÄTER: Hab ich nie gehört. Hab keine Moral.

DOERKS: Du bist ja auch geboren worden, von einer Mutter. Du bist doch auch irgendwo mal…

TÄTER: Ach, Scheißmutter…

DOERKS: … im Arm zärtlich gehalten worden. Du bist mal getauft worden. Du bist mal zur Kirche gegangen und so was alles.

TÄTER: Ich zur Kirche? – Bei dem Himmelskomiker, was soll ich denn da?

DOERKS: Ja, du bist doch konfirmiert, Junge, das weiß ich ganz genau.

TÄTER: Tja, natürlich.

DOERKS: Deine Eltern haben dich zur Konfirmation geschickt, irgendwo hast du auch mal was vom lieben Gott gehört. – Und alles, diese Kacke ist dir gar nichts mehr wert?

TÄTER: Nö. – Wenn ich jetzt so weiter drauf eingehe, so auf mein Leben und so weiter, kann man Puzzle zusammensetzen, und auf einmal dann weiß man schon irgendwie, wer das sein könnte, ne?

DOERKS: Hm, hm – tja, ich mein, mir könntest du 1000 Dinge noch erzählen, ich wüßte immer noch nicht, wer du bist.

 

Inzwischen hat Uschi Rösner bei der Polizei auf Tonband die Stimme ihres Ex-Mannes identifiziert. In den 17-Uhr-Nachrichten bekommen die Geiselnehmer mit, daß es sich bei den Tätern um „ausgebrochene Häftlinge“ handeln soll.

 

Aus dieser Bank in Gladbeck telefonierten die Geiselnehmer Dieter Degowski und Hans-Jürgen Rösner mit dem Kriminalhauptkommissar Manfred Doerks.

 

RÖSNER: Hier, wie ist das denn eigentlich hier mit, eh, wat die da in den Nachrichten, wer soll das denn sein hier, eh, eh, entflohener Häftling und so…

DOERKS: Hör mal, gibt es bei euch einen, eh, Hans-Jürgen Rösner, oder was haben die gesagt?

RÖSNER: Wo, hier?

DOERKS: Heißt einer von euch beiden Hans-Jürgen?

RÖSNER: Nee.

DOERKS: Rösner?

RÖSNER: Nee.

DOERKS: Das soll doch ein ausgebrochener Häftling Hans-Jürgen Rösner sein?

RÖSNER: Nee, wo soll der denn ausgebrochen sein?

DOERKS: Ja, was weiß ich… Na ja, ich meine, was sollte das denn auch, dann hättest du mir das mit Sicherheit gesagt, oder?

RÖSNER: Ja, sicher!

 

Gemurmel im Hintergrund.

 

DOERKS: Ach ja, da erinner ich mich noch. Du, hör mal, der soll irgendwie tätowiert sein an den Armen, der Typ.

RÖSNER: Bin ich tätowiert?

DOERKS: Ja, weiß ich nicht, Junge, ich kenn dich nicht.

RÖSNER: Nee, versteh ich nicht (leises Lachen).

DOERKS: Was soll das denn, am Telephon darüber zu fachsimpeln, ob du das bist oder nicht, oder dein Kumpel, was weiß ich!

RÖSNER: Ist doch scheißegal.

 

Gegen 19.30 Uhr gibt Doerks zu erkennen, daß er den Namen des Täters im Radio gehört hat.

 

RÖSNER: Ich weiß überhaupt nicht, wie die hier auf den Namen kommen.

DOERKS: Mit allen Tricks arbeiten die.

RÖSNER: Ja, vielleicht bin ich dat ja auch, der Rösner.

DOERKS: Eh, haste mich gelinkt, Junge?

RÖSNER: Wieso?

DOERKS: Bist du der Hans-Jürgen Rösner oder Rösler, wie soll er heißen?

RÖSNER: Weiß ich nicht.

DOERKS: Kerle, du. Ich glaub, wir beide gehn doch noch mal ein Bier trinken, du.

RÖSNER: Ha, das glaub ich nicht.

 

Um 20.16 Uhr rollt das Fluchtauto vor, die Geiselgangster rüsten zum Aufbruch.

 

RÖSNER: Ich habe die Maske schon ab.

DOERKS: Du hast die Maske schon ab?

RÖSNER: Du weißt ja, wer ich bin, ne.

DOERKS: Ja, ich hab dich nicht gesehen, ich weiß nicht, wer du bist.

RÖSNER: Ja, hast du doch vorhin gesagt.

DOERKS: Ja, bist du doch der Hans-Jürgen?

RÖSNER: Ja.

DOERKS: Na ja, hast mich ganz schön linken wollen.

RÖSNER: Na, ich mußte aufpassen, nich.

DOERKS: Also soll ich dir was sagen, (atmet tief durch) Mann, du bist doch ein blöder Kerl, du.

RÖSNER: Nö, bin nicht blöd.

DOERKS: Wärste nur auf das andere eingegangen, was wir dir geboten haben.

RÖSNER: Nein, nein, ich hab elf Jahre hinter mir und diese dreckige Justiz, ne.

DOERKS: Soll ich dir was sagen, Junge, du hast das hinter dir, aber sonne große Latte hast du doch gar nicht vor dir!

RÖSNER: Nee, die haben mich kaputtgemacht da drin! Und ich gehe keinen Tag mehr da rein. Ich hab mir das geschworen: Inne Kiste – einmal irgendwann geh ich drauf, egal, ne.

 

*Die Abschrift der Tonbandprotolle wurde noch nach alter Rechtschreibung verfasst.

Die gesamte Story: Gladbeck – Ein Verbrechen verändert Deutschland