Rösner versucht, Degowski mit dessen Leidenschaft für Autos zu ködern. Immer wieder malt er ihm aus, wie es wäre, wenn sie beide mit dem erbeuteten Geld einen Betrieb für Autoverwertung eröffneten. In der Nähe von Münster. Unter falschem Namen. Offiziell geführt von seiner Schwester.

Und da ist auch noch Marion Löblich, die neue Freundin von Rösner…

Mit Frauen hat Degowski in seinem Leben nicht viel zu tun gehabt. Als Jugendlicher „ein paar Fummeleien“ mit Mädchen seines Alters, wie er sagt. Das „erste richtige Dingens“ mit 20. Dann immer wieder einmal die ein oder andere Frau, die er für eine Nacht in Kneipen und Diskotheken kennenlernt.

Nur einmal will er eine wirklich Beziehung, auch heiraten. Begeht dafür sogar Einbrüche, „weil man ja Geld dafür braucht, um sich wat anzuschaffen“. Aber schon sitzt er auch dafür wieder im Gefängnis, und eine „Hochzeit im Knast“ kommt für ihn nicht infrage. „Das ist doch keine schöne Erinnerung für später“, sagt Degowski seinem Gutachter. „Das ist doch alles Mist. Überleg’s dir noch mal, sag ich ihr, hat sie sich überlegt, und einen Monat später hab’ ich nichts mehr von ihr gehört. Hab’ ich die Schnauze voll gehabt dann von den Weibern.“

In den fast fünf Jahren vor dem Geiseldrama, in denen Degowski in das Milieu der Nichtsesshaften abgerutscht ist, will er laut seinen späteren Aussagen überhaupt keinen Kontakt mehr zu Frauen gehabt haben, auch nicht rein sexuell. „Wichtig waren mir nur noch Saufen und Pillen“, sagt er.

Bis ungefähr zwei Wochen vor der Geiselnahme. Bis zu dem Tag, an dem ihn Rösner zu sich und seiner Freundin Marion Löblich in deren Wohnung einlädt. Bis wieder einmal ein Kasten Bier leer ist und Unmengen von Pillen eingeworfen sind.

„Ja und dann auf einmal so“, schildert Degowski später, „wie wir dann uns so unterhalten haben zu dritt, da sagt er (Rösner) auf einmal: Willste auf was ficken? Und ich guckte ihn so an, ich konnte das ja gar nicht glauben, dann sag ich Ja, dann sagt er: Marion, zieh dich aus, und dann sollte ich dat machen…“

Degowski ist mit dieser Situation überfordert. Irgendwie ist ihm das alles peinlich. Er weiß nicht, dass es in dieser Wohnung auch schon vorher zu Pillen-und-Sex-Partys gekommen ist, an denen neben Marion Löblich und Rösner auch dessen ehemalige Ehefrau und einer seiner Komplizen teilgenommen haben. Irritiert bricht er den Geschlechtsverkehr ab und ist auch noch am nächsten Tag verstört, als ihm Rösner auch im nüchternen Zustand anbietet, mit in das Zimmer seiner Geliebten zu kommen.

Degowski lehnt ab. Doch sein Widerstand, gemeinsam mit Rösner eine Bank zu überfallen, bröckelt. „Das ist doch ganz einfach“, hämmert Rösner ihm immer wieder ein. „Hab’ ich doch Erfahrung drin. Die heben brav die Hände doch, rücken das Geld heraus – und schwupps sind wir wieder weg!“

Am Morgen des 16. August 1988 zieht er mit ihm los zur Filiale der Deutschen Bank im Gladbecker Stadtteil Rentfort-Nord. In der Hand einen Revolver Smith & Wesson, Modell Highway Patrolman, Kaliber .357 Magnum. Eine Waffe, mit der er noch nie geschossen hat. Geschossen hat Dieter Degowski bis dahin nur auf der Kirmes – mit einem Luftgewehr auf Rosen aus Plastik.

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