Er gilt als der Kopf des Gladbecker Geiseldramas von vor 30 Jahren, aus seiner Waffe kam der tödliche Schuss auf Geisel Silke Bischoff. Seit 1991 sitzt Hans-Jürgen Rösner im Gefängnis. Lebenslang mit anschließender Sicherungsverwahrung lautete das Urteil des Landgerichts Essen. Im ersten Teil des Interviews mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland blickt Rösner auf die 54-stündige Geiselnahme von Gladbeck zurück.

Herr Rösner, haben Sie je versucht, sich bei den Opfern und den Hinterbliebenen des Gladbecker Geiseldramas zu entschuldigen oder wollen Sie es heute auf diesem Weg tun?

Nein, ich habe mich bei den Opfern der Geiselnahme und deren Hinterbliebenen bis heute nicht entschuldigt. Ich habe diesbezüglich meine eigene Ansicht: Wenn jemandem sein Kind genommen wird, ist das nicht mit einer läppischen Entschuldigung abgetan. Ich würde zum Beispiel eine Entschuldigung auf keinen Fall akzeptieren. Selbstverständlich lässt mich das ganze Geschehen nicht kalt. Aber meine Gefühle gegenüber den Opfern und deren Hinterbliebenen behalte ich für mich, weil es keinen Sinn macht, dies zu offenbaren.

Bereuen Sie die Tat?

Dass ich die Tat zutiefst bereue, versteht sich von selbst. Schließlich haben dabei Menschen ihr Leben verloren.

Denken Sie heute noch an die Geiselnahme?

Ja, ich denke auch heute noch an die Tat von 1988. Zwei Bilder haben sich fest in mir verankert: als Silke B. nach dem Sturmangriff der Polizei regungslos auf der Autobahn lag. Auch das Bild, als Degowski Emanuele erschossen hat, hat sich in mir eingebrannt. Das gesamte Geschehen ist auch heute noch bei mir präsent. Ich denke, das alles bleibt mein Begleiter bis ans Ende meiner Tage. Ein solch heftiges Erlebnis kann man nicht vergessen, es drängt sich auch immer wieder auf und es bereitet mir tiefe Schuldgefühle.

Gibt es Dinge, die Sie heute besonders bereuen?

Natürlich zunächst den Tod von zwei Geiseln, Silke B. und Emanuele de Giorgi. Daneben bereue ich, dass ich damals die kleine Schwester von Emanuele, nachdem ich sie als Druckmittel gegen die Polizei benutzt hatte, nicht nach Hause geschickt hatte, weil sie eben das alles über sich ergehen lassen musste. Aber leider konnte ich in dieser Situation keinerlei Empathie aufbringen, weil auch für uns Täter stets Lebensgefahr bestanden hatte, weil man uns jederzeit hätte erschießen können.

Warum haben Sie sich zu dem Banküberfall entschieden?

Die Idee mit dem Überfall auf die Deutsche Bank kam vom Degowski. Es geht mir aber nicht um die Idee oder um schuld oder nicht schuld – wir hatten uns beide für den Überfall entschieden. Nichts anderes zählt. Ich wollte gar nicht so gern in die Bank, sondern viel eher in irgendeinen größeren Supermarkt einfliegen. Aber Degowski drängte. Und ich machte den Fehler meines Lebens, indem ich sagte: „Na komm, scheißegal!“ Dass das alles dann so ausgeartet ist, das hätte ich niemals für möglich gehalten.

Welche Erinnerungen haben Sie an den Moment des Zugriffs?

Ich hatte den Flucht-BMW gesteuert und der Tacho zeigte 100 Stundenkilometer. Auf einmal gab es einen heftigen Aufprall gegen unseren BMW, und in diesem Moment dachte ich, dass ich wegen meiner Müdigkeit, ich hatte zu diesem Zeitpunkt 96 Stunden nicht mehr geschlafen, nach links gefahren war und ein normales Auto in uns reingefahren ist. Ich drehte mich nach links und sah das mir gegenüberstehende Fahrzeug, das mit vier Typen besetzt war, die alle Helme trugen, und da wusste ich sofort Bescheid, wer da gegenübersteht. Degowski hatte sofort das Feuer eröffnet, seine Trommel der .357er Magnum geleert und sich danach tot gestellt. Ich hatte in diesem Moment, als das SEK aus allen Rohren schoss, gedacht, nun ist mein Ende gekommen, gleich kommt ein Geschoss und trifft meinen Kopf, das war’s… Aber dann wurden nur meine beiden Oberschenkel getroffen und ich sagte der Marion Löblich, dass ich mir einen gefangen habe, dass ich die Beine nicht mehr spüre. Ich hatte mich noch einmal nach hinten gedreht, um zu gucken, ob die alle noch leben, aber es war niemand zu sehen, und dann habe ich meine Waffe durch das Fenster auf die Autobahn geschmissen. Für den Tod von Silke Bischoff hat man mich verantwortlich gemacht, aber ich sage, dass das nicht der Wahrheit entspricht, dass das Kölner SEK sie auf dem Gewissen hat, dass die Polizei stark manipulierte, um so Beweise gegen mich zu schaffen. Silke Bischoff war eine ganz Liebe, niemals hätte ich ihr irgendwas Zusätzliches antun können, schon gar nicht erschießen! Ein solches Ende hatte diese junge Frau nicht verdient.

Was würden Sie Silke Bischoff sagen, wenn Sie mit ihr sprechen könnten?

Wenn ich mit Silke sprechen könnte, dann würde ich ihr sagen, dass mir alles sehr leidtut. Weil ich mein Wort, sie und ihre Freundin Ines Voitle in Frankfurt freizulassen, nicht einhalten konnte. Ich würde ihr sagen, dass mich ihr Tod auch heute noch sehr belastet.

Was würden Sie Emanuele di Giorgi sagen?

Dem italienischen Jungen Emanuele würde ich sagen, wenn ich ihn sprechen könnte, dass auch sein Tod mich stark belastet, dass das von meiner Seite her niemals hätte geschehen dürfen.

Würden Sie, wenn Sie es könnten, die Zeit vor den Beginn des Banküberfalls zurückdrehen?

Aber selbstverständlich würde ich, wenn ich nur könnte, alles ungeschehen machen.

Haben Sie noch Kontakt zu Personen aus der Zeit der Geiselnahme?

Nein, ich habe keinerlei Kontakte mehr zu irgendwelchen Leuten aus der Zeit.